Am 28. Juni tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, das die Inklusion von Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen verbessern soll – indem Websites und Onlineshops barrierefrei gestaltet werden. Hier erfahren Sie alles zum Gesetz und dessen Auswirkungen auf den E-Commerce.
Eine diskriminierungsfreie Gesellschaft ermöglicht allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe, auch an digitalen Inhalten. Da das Thema Barrierefreiheit im Internet allerdings häufig übersehen oder nicht voll umfassend verstanden wird, versucht der Gesetzgeber, Unternehmen etwas auf die Sprünge zu helfen und digitale Inklusion gesetzlich vorzuschreiben. Wer seinen Onlineshop also noch nicht barrierefrei gemacht hat, sollte dringend nachbessern.
Unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben kann es für international agierende Onlinehändler aber auch aus anderen Gründen vorteilhaft sein, den eigenen Onlineshop barrierefrei zu machen. Welche das sind, wie sich das neue Gesetz auf den E-Commerce auswirkt und welche Maßnahmen Sie ergreifen können, um Ihren Webshop inklusiver zu machen, erfahren Sie in diesem Asendia Insights Blogbeitrag.
Das BFSG im Detail
Digitale Inhalte leichter zugänglich machen – so könnte man den Zweck des neuen Gesetzes umschreiben. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist für alle Dienstleister und Hersteller von Produkten verpflichtend und fußt auf einer EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, kurz: EAA), die bereits 2019 verabschiedet wurde. Ziel des Gesetzes ist es, Inklusion und Chancengleichheit zu fördern; Websites und Apps sollen so gestaltet werden, dass sie auch von Menschen mit kognitiven oder motorischen Einschränkungen problemlos genutzt werden können. Darüber hinaus betrifft das BFSG auch Tablets, eBook-Reader oder Selbstbedienungsterminals wie etwa Geld- oder Fahrkartenautomaten.
Weitere Details und Ergänzungen zum Gesetz finden sich in der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Hier sind allgemeine und branchenspezifische Anforderungen aufgeführt. Wichtig für Onlinehändler ist zudem der Hinweis, dass nicht die Produkte selbst barrierefrei sein müssen, sondern vor allem die Customer Journey – schließlich kauft ein betroffener Mensch nicht zwangsläufig für sich selbst ein, sondern möchte bei Ihnen womöglich einfach ein Geschenk shoppen.
Bei Nichteinhaltung drohen Bußgelder oder sogar die Abschaltung bzw. Einstellung des Onlineshops; hierzu müsste allerdings eine Überprüfung durch die Marktüberwachungsbehörde Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (MLBF) stattfinden – entweder stichprobenartig oder aufgrund der Beschwerde eines Verbrauchers. Im ersten Schritt erfolgt aber zunächst eine Aufforderung zur Herstellung der Konformität mit dem BFSG, damit betroffene Onlinehändler die Chance haben, in Sachen Barrierefreiheit nachzubessern.
Was bedeutet digitale Barrierefreiheit genau?
Digitale Barrieren können sehr unterschiedlich und vielfältig sein. Neben seh- und hörgeschädigten Menschen gibt es auch solche mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen. Die Bedienung eines Onlineshops bringt demnach für all diese Menschen unterschiedliche Herausforderungen mit sich – je nachdem, welche Barrieren auftreten. Schwache Kontraste können eine Barriere für sehbehinderte Menschen sein, eine unlogische Navigation oder ein zu komplizierter Aufbau des Shops stellen womöglich eine Barriere für kognitiv eingeschränkte Menschen dar.
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG – deutsche Übersetzung hier) geben einen guten Überblick über die barrierefreie Gestaltung von digitalen Angeboten. Entwickelt wurden diese Leitlinien vom World Wide Web Consortium (W3C), einem Gremium zur Standardisierung der Techniken im World Wide Web. Es unterscheidet vier Grundprinzipien der Barrierefreiheit im Web:
- 1Wahrnehmbarkeit
- Bedienbarkeit
- Verständlichkeit
- Robustheit
Unter Wahrnehmbarkeit versteht man die Darstellung von Inhalten und Komponenten auf eine Weise, die es auch Nutzern mit Einschränkungen ermöglicht, sie problemlos wahrzunehmen – also etwa durch die Verwendung von Alt-Texten bei Fotos oder einer Vorlese-Funktion für Texte. Bedienbarkeit umfasst die Nutzung anderer Eingabeelemente als der klassischen PC-Maus; so sollte Ihr Webshop beispielsweise auch ausschließlich per Tastatur zu bedienen sein, um das Kriterium Barrierefreiheit zu erfüllen. Verständlichkeit bezieht sich auf den Aufbau Ihrer Seite: Hier sollten Sie sich fragen, ob Navigation und Aufbau logisch und vorhersehbar und Fehlermeldungen leicht verständlich sind. So sollten beispielsweise gleich aussehende Elemente auch die gleiche Funktion haben. Unter Robustheit wiederum versteht man die Kompatibilität mit assistierenden Technologien; der HTML-Code sollte also von möglichst vielen Nutzern und Technologien interpretierbar sein und auf möglichst vielen verschiedenen Endgeräten funktionieren.
Bezogen auf den E-Commerce und Ihren Onlineshop bedeutet das: Machen Sie es möglichst vielen Nutzern möglichst einfach, bei Ihnen zu shoppen. Dadurch erhöhen Sie die Usability und die Verweildauer auf Ihrer Website (was wiederum Google für Ihr Suchmaschinenranking honoriert) und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, neue Kunden zu gewinnen. Laut Statistischem Bundesamt leben allein in Deutschland knapp 8 Millionen Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung – das sind 9,3 % der Bevölkerung! Hier steckt also eine Menge Potenzial, das Sie nutzen sollten und die Chance, Zielgruppen anzusprechen, die Ihr Angebot bislang nicht nutzen konnten.
So gestalten Sie Ihren Onlineshop inklusiv
Bevor Sie Änderungen an Ihrem Webshop vornehmen, sollten Sie überprüfen, wie barrierefrei Ihr Shop bereits ist. Dazu können Sie diverse automatisierte Tools nutzen; es ist allerdings hilfreich, einen personengestützten Test durchführen zu lassen, da automatisierte Tests nicht alle digitalen Barrieren erkennen.
Sie selbst können aber bereits einige Maßnahmen ergreifen, um die Barrierefreiheit Ihres digitalen Angebots zu verbessern.
Barrierefreie Sprache
Dazu gehört unter anderem die Verwendung einer einfachen, lesbaren Sprache sowie die Festlegung einer Hauptsprache über den ISO-639-Sprachcode. Der dient Screenreadern und anderer, textverarbeitender Software, zu erkennen, wie der Inhalt ausgegeben oder dargestellt werden soll. Sind einzelne Wörter oder Abschnitte in einer anderen Sprache verfasst, hilft es, diese mit dem entsprechenden HTML-Lang-Tag zu versehen.
Darüber hinaus sollten Überschriften sinnvoll benannt werden und Elemente mit gleichen Funktionen die gleiche Beschriftung aufweisen. Bilder und Fotos benötigen sogenannte Alt-Texte – das ist eine Art Beschreibung des Bildes, die Menschen mit Sehbehinderungen von einem Screenreader vorgelesen werden kann.
Konsistente Navigation
Verschachtelte Menüs können Menschen mit kognitiven Einschränkungen überfordern; ein logischer Aufbau der Seitennavigation erleichtert es Ihren Kunden, sich in Ihrem Shop zurechtzufinden. Zudem sollten gleiche Elemente immer die gleiche Funktion haben – etwa Zurück-Buttons oder Dropdown-Menüs. Öffnet sich durch eine Nutzeraktion ein neues Fenster, sollten Sie einen entsprechenden Hinweis geben.
Darstellung
Ein guter Kontrast zwischen Text und Hintergrund erhöht die Lesbarkeit für Menschen mit Sehbehinderungen. Zudem sollten Sie Texte nicht als Bilder darstellen, da sie sonst beim Heranzoomen verpixeln.
Semantischer Code
Überschriften, Listen oder Absätze sollten bereits auf Code-Ebene semantisch korrekt aufgebaut sein, damit Screenreader den Inhalt richtig interpretieren können.
Slideshows & Karusselle
Schaffen Sie eine Möglichkeit, Slideshows und Carousels per Tastatur zu pausieren, damit auch Menschen mit motorischen Einschränkungen problemlos navigieren können.
Untertitel
Haben Sie Videos in Ihrer Website? Bieten Sie Menschen mit Hörbehinderungen per Untertitel einen Zugang zu diesen Videos.
Formulare
Falls Sie ein Kontaktformular haben, dann achten Sie darauf, dass die Anweisungen für die einzelnen Felder klar und verständlich sind; zudem kann es hilfreich sein, Eingaben der Nutzer entweder direkt zu validieren (etwa farblich) oder aber klarzumachen, warum eine Eingabe fehlerhaft ist.
Fazit
Ein barrierefreier Onlineshop hat gleich mehrere Vorteile: Neben rechtlicher Sicherheit und Konformität mit dem neuen Gesetz profitieren Sie auch wirtschaftlich davon, mithilfe barrierefreier Inhalte neue Zielgruppen ansprechen zu können. Darüber hinaus werden Sie Ihrer sozialen Verantwortung gerecht und tragen zu einer inklusiven Gesellschaft bei. Zur Umsetzung können allerdings Änderungen auf Code-Ebene notwendig sein – eine genaue Überprüfung verschafft Ihnen den Überblick darüber, wo Sie eventuell noch nachbessern müssen.