E-Commerce mit Großbritannien: Herausforderungen seit dem Brexit

16 Februar, 2023

Drei Jahre sind seit dem Brexit vergangen. Mit dem anschließenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion zum 01.01.2021 gelten für die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union andere Regeln.

Der Handel mit Großbritannien bringt seit dem Austritt des Inselstaats aus der Europäischen Union einige Herausforderungen für Onlinehändler aus der EU mit sich. In diesem Asendia Insights Blogbeitrag erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen, wenn Sie in das Vereinigte Königreich verkaufen möchten.

 

Ein Blick zurück: Wie kam es zum Brexit? Und wie sieht es heute aus?

Am 23. Juni 2016 stimmte die britische Bevölkerung mit einer Mehrheit von 52 % der Stimmen für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU). Der Wunsch nach mehr Autonomie und die Einsparung von Geldern für schwächere EU-Mitgliedsstaaten bewegten den Inselstaat zu dieser endgültigen Entscheidung. Weitere Ziele der britischen Regierung waren die Eindämmung der Zuwanderung, eine Verbesserung des Gesundheitssystems, weniger Verwaltung, weniger Steuern sowie bessere bilaterale Handelsabkommen.

Nach zahlreichen Verhandlungen erfolgte der offizielle Austritt schließlich am 01. Februar 2020. Im Anschluss folgte eine Übergangsphase, die mit der Einigung auf ein Handels- und Kooperationsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union zum Jahresende 2020 endete. Seit dem 01. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des Binnenmarkts und der Zollunion der EU.

Wie bereits von diversen Parteien prognostiziert (z.B. vom ehemaligen britischen Finanzminister George Osborne; Institut der deutschen Wirtschaft), wurden diese Ziele bisher nicht erreicht. So sind aktuell weniger als zwei Drittel des Außenhandelsvolumens Großbritanniens durch neue Handelsverträge abgedeckt. Das Vereinigte Königreich konnte etwa bislang kein Handelsabkommen mit den USA schließen.

Bei sinkenden Umsatzerlösen ergaben sich 2021 höhere Kosten für Verwaltung, Logistik, Zölle, Finanzierung und IT-Anpassungen. Zudem fehlten in diversen Branchen Arbeitskräfte aus Süd- und Osteuropa. Seit dem Brexit-Referendum 2016 ist der Wert des Britischen Pfundes um 10 % gefallen.

Auch der Warenverkehr Großbritanniens mit der EU ist seit dem Austritt bereits um 10-15 % eingebrochen. Neben mehreren Regierungskrisen kämpft das Land seither mit einer Wirtschaftskrise. Als Außenhandelspartner für Deutschland ist Großbritannien in den letzten fünf Jahren von Platz 5 (2017) auf Platz 11 (2022) abgestiegen.

Einer aktuellen Umfrage der Zeitung „The Independent“ zufolge, sind 56 % der Briten der Ansicht, der Brexit schade der heimischen Wirtschaft. Eine Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstreicht diese Wahrnehmung. Demnach werde die britische Wirtschaft dieses Jahr um weitere 0,6 % schrumpfen. Der Inselstaat liegt damit jedoch nur knapp hinter Deutschland, dem ein geringes Wirtschaftswachstum von 0,1 % für das Jahr 2023 vorausgesagt wird.

 

Welche Handelsabkommen bestehen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU?

Am 24. Dezember 2020 konnten Großbritannien und die Europäische Union eine Einigung über ein Handels- und Kooperationsabkommen erzielen. Das „Trade and Cooperation Agreement“ (TCA) findet seit 01. Januar 2021 vorläufig Anwendung und trat am 01. Mai 2021 offiziell in Kraft.

Das TCA regelt den präferenziellen Warenverkehr mit Ursprungserzeugnissen zwischen der EU und Großbritannien. Das bedeutet, dass eine Zollpräferenzbehandlung zwischen den beiden Parteien besteht. Der Warenverkehr mit Nordirland (Bestimmungslandcode „XI“) ist aus der Vereinbarung ausgenommen. Die Nation erfährt weiterhin die Behandlung, als gehöre sie zur europäischen Zollunion.

Definitionen (nach der Generalzolldirektion)

Ursprungserzeugnis: ein Erzeugnis, das in einem Land vollständig gewonnen oder hergestellt wurde bzw. die festgelegte „Ursprungseigenschaft“ besitzt

Nicht Ursprungserzeugnis/ -komponente: jede Vorleistung, die in Großbritannien erbracht wird (Erzeugnisse, Materialien, Be- oder Verarbeitungsvorgang)

Ausführer: eine in einer Vertragspartei befindliche (ansässige) Person, die nach Vorschriften dieser Vertragspartei das Ursprungserzeugnis ausführt oder herstellt und die Erklärung zum Ursprung ausstellt

 

Was bedeutet das für in der EU ansässige Onlinehändler?

Ihr Unternehmen ist unmittelbar von den Folgen des Brexits betroffen, wenn Sie Waren nach Großbritannien liefern oder dort Dienstleistungen erbringen, Waren oder Dienstleistungen aus Großbritannien erhalten, Materialien oder Erzeugnisse aus Großbritannien für den weiteren Handel mit EU-Ländern verwenden oder Waren durch das Vereinigte Königreich befördern. 
Sie sind in der EU ansässiger Onlinehändler und möchten Ihre Waren in Großbritannien verkaufen? Dann sollten Sie folgendes beachten:

  • Registrierung bei den Zollbehörden
    Zunächst müssen Sie sich bei den Zollbehörden registrieren lassen und eine EORI-Nummer beantragen. Da der Informationsaustausch mit den Zollbehörden elektronisch erfolgt, ist eine zertifizierte Software und eine Anmeldung für das IT-System ATLAS notwendig.
  • Zollanmeldung der Ware
    Waren, die die Grenzen Großbritanniens überqueren, müssen seit dem 01. Januar 2021 zollrechtlich abgefertigt werden. Es ist daher die Abgabe einer Zollanmeldung sowohl für den Import/Export als auch den Transport von Waren durch das Vereinigte Königreich nötig. Diese muss sowohl die Warennummer und -beschreibung als auch den Zollwert der Waren beinhalten. Darüber hinaus muss die EORI-Nummer des Empfängers in der Zollanmeldung angegeben werden.
  • Antrag auf Zollpräferenzbehandlung
    Aufgrund des Handels- und Kooperationsabkommens (TCA) zwischen Großbritannien und der EU, werden für Waren, die als Ursprungserzeugnisse gelten, keine Zölle oder Quota erhoben. Eine solche Zollpräferenzbehandlung muss jedoch bei der Einfuhrzollanmeldung beantragt werden.

    Als Grundlage für den Antrag auf Zollpräferenzbehandlung muss der Ausführer eine „Erklärung zum Ursprung“ (EzU) anfertigen oder den Antrag mit der „Gewissheit des Einführers über den Ursprung des Erzeugnisses“ begründen und mit einer eigenen Codierung in der Zollanmeldung angeben:
    U116 EzU
    U117 Gewissheit des Einführers
    U118 EzU für Mehrfachsendungen identischer Ursprungserzeugnisse
  • (Einfuhr-)Umsatzsteuer
    Auf alle Sendungen im Warenwert von mehr als £135 (ca. 153 €), alle verbrauchssteuerpflichtigen Waren sowie Geschenke über £39 (44 €) aus der EU wird eine Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 20 % erhoben.
    Bei eingeführten Waren im Wert von £135 oder weniger, muss eine Umsatzsteuer zu dem Steuersatz, der für die Lieferung der gleichen Waren innerhalb Großbritanniens gilt, zum Zeitpunkt des Verkaufs berechnet und eingezogen werden. Es ist daher eine Registrierung für die Umsatzsteuer in Großbritannien und eine Ausweisung in der Umsatzsteuererklärung notwendig.
  • Sicherheitserklärungen
    In der Regel sind keine Sicherheitserklärungen für Einfuhren aus der EU notwendig.
  • Zusätzliche Formalitäten
    Zusätzliche Formalitäten gelten für verbrauchssteuerpflichtige Waren (Alkohol, Tabak, Kraftstoff) sowie für die Einfuhr lebender Tiere oder Pflanzen(-erzeugnisse). Für den Handel von Abfällen, gefährlichen Chemikalien etc. ist eine spezielle Lizenz erforderlich.   
  • Benennung des Vereinigten Königreichs in Lieferantenerklärungen
    In Lieferantenerklärungen sind die Bezeichnungen „Vereinigtes Königreich“, „Großbritannien“ (oder Bezeichnung in anderen zulässigen Sprachen) sowie der Bestimmungslandcode „GB“ zulässig.

 

Weitere Informationen zum Handel mit dem Vereinigten Königreich als in der EU-ansässiges Unternehmen finden Sie unter: https://www.gov.uk/government/collections/trade-with-the-uk-as-a-business-based-in-the-eu

Für nähere Informationen zum TCA besuchen Sie bitte die Website der Generalzolldirektion.

 

Hier noch ein paar letzte Tipps für Onlinehändler, die ihre Produkte in Großbritannien verkaufen:

  • Stellen Sie Ihren britischen Kunden Informationen über den Gesamtpreis der Waren und Dienstleistungen, einschließlich Steuern und sonstiger Abgaben, direkt auf der Website bereit.
  • Arbeiten Sie mit einem Zollvermittler oder mit einem Versandpartner wie Asendia zusammen, der Sie bei allen Fragen rund um die Regularien zur Wareneinfuhr und den Zoll unterstützt.

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